Kirche St. Sebastian

Darstellung der Kirche Sankt Sebastian

am Marienplatz

Schon nach dem ersten Pestzug 1548, der den Markt Aibling heimsuchte, entstand am Stadtplatz eine Kapelle zu Ehren des Pestheiligen St. Sebastian. Ein Kirchlein ist ab 1603 belegt.
Damals bildete sich unter Sebastians Schirm und Namen eine Schützenbrüderschaft, da der Heilige zugleich als Patron der Schützen galt. Auch von zahlreichen Prozessionen nach Ebersberg, wo der Märtyrer seit alters her verehrt wird, berichtet die Aiblinger Kirchengeschichte; vor allem, als 1634 und 1641 wiederum der schwarze Tod umging und zwei Drittel der örtlichen Bevölkerung hinwegraffte.
Beim großen Stadtbrand von 1765 wurde die ursprüngliche Kirche vernichtet. Erst durch eine Landessammlung für den völlig verarmten Markt kamen die Mittel für einen Neubau des Sebastianskirchleins zusammen. Die nüchterne Fassade lässt denn auch nicht ahnen, was den Besucher im Inneren erwartet: Ein Kleinod des ausgehenden Barock, dessen Höhepunkt der vom Aiblinger Bildschnitzer Joseph Götsch geschaffene Sebastianaltar ist.

Darstellung einer Statue des heiligen Sebastians

Das überwölbte Kirchenschiff öffnet sich im Chorraum zu einem Halbrund, das den Altar aufnimmt. Der Oberteil ruht auf vier Säulen, die eine lockere Bekrönung tragen. Im Mittelteil steht die hervorragende barocke Figur des Heiligen, von Pfeilen getroffen und verklärt gen Himmel blickend. Vor den Säulen stehen die großartig dargestellten Heiligen Korbinian und Benno in Überlebensgröße. Der Bär neben Korbinian weist auf die Legende hin, dass ein wilder Bär dem Heiligen demütig sein Gepäck während des Alpenübergangs getragen habe. Bischof Benno von Meißen, zum bayrischen Landespatron erhoben, hält in der Hand einen Fisch, der einen Schlüssel im Maul trägt. Diese Attribute weisen wiederum auf eine Legende hin: Derzufolge habe Benno die Kirchenschlüssel in die Elbe geworfen, um den Kaiser am Betreten seines Gotteshauses zu hindern; doch als Zeichen des Himmels überbrachte bald darauf ein Fischer dem Bischof einen soeben gefangenen Fisch, der die Schlüssel im Maul trug. Neben dieser Legende galten die Zeichen Fisch und Schlüssel im Barock allerdings auch als Symbole der Christianisierung der heidnischen Wenden.
Die beiden Seitenaltäre der Sebastianskirche wurden vom schärfsten Konkurrenten Joseph Götsch’s, dem Aiblinger Kistler Stumbeck geschaffen. Sie passen sich dem Hauptaltar zwar an, doch sind die Figuren bis auf eine prachtvolle Darstellung des hl. Florian von geringerem künstlerischem Ausdruck. Die Altarblätter zeigen Gemälde des Aiblinger Malers Franz Gail, der auch die neuerdings freigelegten Deckenfresken schuf. Das rechte Altargemälde zeigt neben dem Ritter Sankt Georg den seligen Ratholdus kniend im Chorrock - einen Pilger und Eremiten, der dem Aiblinger Edelsitz Prantshausen entstammte und im Tiroler Inntal das Kloster St. Georgenberg gründete, eine Wallfahrt, zu der die Aiblinger bis heute ziehen. Darüber befindet sich ein Abbild jener Pieta, die Ratholdus von seiner Wallfahrt nach Santiago de Compostela mitbrachte und zunächst in Aibling, dann in Georgenburg aufstellte.
Das Deckengemälde schildert in bewegter Form die Leidensgeschichte des heiligen Sebastian.
Über dem Hauptaltar befindet sich ein weiteres Deckenfresko, das Aiblinger Bürger und Bürgerinnen im historischen Kostüm der Zeit darstellt, die ihre Herzen dem Heiligen darbringen. Der reiche Bürger im Langrock mit Silberknöpfen und olivfarbenem Mantel ist der Lebzelter und Wachszieher Isinger, neben ihm erkennt man seinen Sohn Franz J. Isinger, Pfarrer von Aibling sowie seinen Bruder, der in Berbling lange Jahre Kooperator war; dahinter die Frauen der Familie Isinger, die als großherzige Stifter der Kirchenaltäre auf uns gekommen sind. Rechts vom Altar an der Wand findet sich ein dunkles Bild vom Stadtbrand 1765, das der Handelsmann Jakob Cozzi aus Paluzzi stiftete, dessen Haus (heute Meggendorfer) ebenfalls abgebrannt war.
Die besondere Beliebtheit des kleinen Kirchleins zeigen viele Namensschilder Aiblinger Bürgerfamilien, die hier "ihren" Kirchenstuhl bis heute bewahren. Während früher zum Sebastianstag eine Prozession von der Stadtpfarrkirche zur Sebastianskirche zog, wird nun am 20. Januar jeweils eine feierliche Messe von den Gebirgsschützen gestiftet, die damit ihren Patron verehren.